67

 

Wenn sich niemand an meine großen Leistungen erinnert, habe ich dann in historischer Hinsicht überhaupt etwas geschafft? Die einzige Lösung scheint darauf hinauszulaufen, dass ich etwas Spektakuläres leisten oder ein Ereignis bewirken muss, das von keiner Version der Geschichte ignoriert werden kann.

Yorek Thurr,

geheime Corrin-Tagebücher

 

 

Denkmaschinen mochten unendlich geduldig sein, aber Yorek Thurr war es nicht. Sein Exil auf Corrin schien endlos zu sein. Obwohl seine Lebensspanne künstlich verlängert worden war, hielt er es für eine unerhörte Verschwendung, Jahrzehnte untätig hinter den Verteidigungsmauern aus Maschinen- und Liga-Raumschiffen abzuwarten.

Im Gegensatz zu Omnius und Erasmus, die keine Schwierigkeiten damit hatten, unter der Bewachung der Hrethgir auszuharren – und zu Rekur Van, dessen Bewegungsfreiheit ohnehin stark eingeschränkt war –, verwandte Thurr den größten Teil seiner mentalen Energie darauf, nach einem Ausweg zu suchen – zumindest für sich selbst, wenn schon nicht für seine maschinellen Verbündeten.

Thurr trug einen speziellen Augenschutz gegen die Glut der roten Sonne, die wie eine gewaltige Lohe eine Hälfte des Himmels ausfüllte. Er ging an der Seite von Seurat, dem Robotercaptain, der Omnius viele Jahrhunderte lang gedient hatte und ein Gefährte von Vorian Atreides gewesen war. Außerdem war Seurat von Agamemnon gefangen genommen worden und hatte über ein halbes Jahrhundert als seine Geisel verbracht.

»Erzähl mir noch einmal ganz genau, wie du den Titanen entflohen bist«, sagte Thurr.

Der Roboter sah ihn irritiert an. »Du kannst dir jederzeit Einsicht in die Dateien mit meinen Erfahrungen verschaffen, Yorek Thurr. Ist diese Angelegenheit von besonderem Interesse für dich?«

Thurr kniff die Augen zusammen. »Ich würde gerne von hier verschwinden, und einige deiner Erfahrungen könnten für mich nützlich sein. Möchtest du ewig auf Corrin festsitzen? Du wurdest als Captain eines Update-Schiffs konstruiert, um frei zwischen den Synchronisierten Welten hin und her zu fliegen, und nun sitzt du seit zwanzig Jahren hier fest. Das muss doch selbst einen Roboter in den Wahnsinn treiben.«

»Da es keine anderen Synchronisierten Welten mehr gibt, werde ich nicht mehr für Update-Flüge benötigt, was der Hauptzweck meiner Existenz war«, sagte Seurat. »Und ich habe meine letzte Pflicht erfüllt, eine Kopie der Omnius-Sphäre nach Corrin zu bringen, nachdem die Menschen die meisten Synchronisierten Welten eliminiert haben.«

»Auch ich habe eine Kopie von Omnius überbracht«, sagte Thurr. »Aber das verschafft mir keine große Befriedigung.«

Seurats kupfernes Gesicht blieb ruhig. »Sobald Omnius entschieden hat, wie meine Fähigkeiten sinnvoll genutzt werden können, erhalte ich neue Anweisungen.«

»Menschen sind nicht so ... genügsam.«

»Dessen bin ich mir bewusst. Das habe ich durch meine Erfahrungen mit Vorian Atreides gelernt.« Seurats Stimme klang beinahe etwas wehmütig. »Kennst du irgendwelche Witze?«

»Zumindest keine komischen.«

Thurr sah sich die detaillierten Aufzeichnungen der Flucht Seurats von Richese an, wo er den Cymeks entkommen war. Er hatte die Ablenkung eines Angriffs von außen genutzt. Vielleicht würde so etwas unter ähnlichen Bedingungen auch hier funktionieren.

Zum Glück war die gewaltige Barrikade der Maschinen dazu gedacht, die Liga auszusperren, und nicht dazu, jemanden wie ihn einzusperren. Und das Holtzman-Störfeldnetz würde sein menschliches Gehirn nicht beeinträchtigen. Thurrs größte Schwierigkeit wäre es, für genügend Aufregung zu sorgen, damit er ein schnelles Schiff stehlen und durch die Sphären der menschlichen Streitkräfte schlüpfen konnte. Sie mussten ihre Überwachung noch verstärkt haben, seit seine Killermaschinen zum Einsatz gekommen waren. Doch sobald er den freien Weltraum erreicht hatte, hätte er wieder ein viel größeres Spektrum von Möglichkeiten.

Es lohnte sich, genauer darüber nachzudenken. Zumindest hatte Thurr fast alle Zeit der Welt, um über Möglichkeiten nachzugrübeln, zu planen und sein Vorhaben zu erproben.

Er suchte einen Nebenraum im Zentralturm auf, wobei er an den Galerien mit den lächerlichen bunten Kunstwerken des Computer-Allgeists vorbeikam. Omnius Primus war tief in die Struktur des monolithischen Gebäudes eingebettet, das aus Gelschaltkreisen und Flussmetall bestand. Aber hier waren auch die zwei anderen Inkarnationen des Allgeists gespeichert – die Sphäre, die Seurat gerettet hatte, und die Kopie, die Thurr mitgenommen hatte, als er von Wallach IX geflohen war.

Eigentlich hätten die Allgeist-Inkarnationen nahezu identisch sein müssen, aber Omnius hatte sich in Abweichung von der üblichen Praxis geweigert, die beiden Updates mit sich selbst zu synchronisieren. Er hielt die zwei silbrigen Gelsphären in Isolation, da er befürchtete, sie könnten ein geheimes destruktives Virus enthalten, wie es bei den Sphären der Fall gewesen war, die Seurat vor längerer Zeit abgeliefert hatte. Thurr selbst hatte sich häufig am Omnius von Wallach IX zu schaffen gemacht, um seine heimlichen Aktionen zu vertuschen. Er glaubte nicht, dass er Schaden angerichtet hatte, aber diese Möglichkeit ließ sich nicht vollständig ausschließen ...

Also hatten die zwei zusätzlichen, abweichenden Kopien ihre unabhängige Identität behalten. Die Hauptversion des Allgeistes war der naiven Überzeugung, dass die drei Inkarnationen nicht weiter divergieren würden, da sie ständigen Kontakt hatten und die gleichen täglichen Erfahrungen teilten. Thurr jedoch sah, dass das Trio der separaten Allgeister sich kontinuierlich weiter auseinander entwickelte.

Er zählte auf diesen Punkt, weil er davon ausging, dass er ihn zu seinem Vorteil nutzen konnte.

Als er mit der Allgeist-Kopie, die er von Wallach IX mitgebracht hatte, Kontakt aufnahm, stellte er sich vor das Lautsprechersystem und gab seiner Stimme einen möglichst nüchternen Tonfall. »Corrin steht weiterhin einer ernsten Bedrohung gegenüber. Es ist klar, dass die Herausforderung zu groß ist, um mit der alleinigen Prozessorleistung von Omnius Primus bewältigt zu werden.«

»Ich bin identisch mit Omnius Primus«, sagte der Allgeist.

»Du bist seinen Fähigkeiten äquivalent. Eine Identität ist nicht mehr gegeben. Wenn ihr beiden euch parallel dem Problem widmen würdet, stünde doppelt so viel mentale Kapazität zur Verfügung. Die Hrethgir hätten dem nichts mehr entgegenzusetzen. Ihr beide habt hier im Zentralturm Zugang zu den gleichen Systemen. Während Omnius Primus eine undurchdringliche Verteidigung aufrechterhält, wie er es in den letzten neunzehn Jahren getan hat, schlage ich vor, eine neue Offensive gegen die Wachflotte der Menschen zu starten. Auf jeden Fall haben wir dazu eine ausreichende Menge von Roboterschiffen im Orbit.«

»Es hat beträchtliche Aufreibungsgefechte mit Verlusten gegeben, die zu ersetzen die Kapazitäten von Corrin stark beanspruchten. Unsere Schiffe haben zahlreiche Offensiven durchgeführt, aber wir können das Störfeldnetz nicht überwinden. Was würden wir mit einem neuen Versuch erreichen?«

Thurr seufzte ungeduldig. Obwohl der Allgeist-Kopie gewaltige Datenmengen zur Verfügung standen, war ihre Erkenntnisfähigkeit eingeschränkt – wie bei den meisten Denkmaschinen. »Wenn du all unsere Schiffe dazu einsetzen würdest, die Linien der Hrethgir zu durchbrechen, das Störfeldnetz anzugreifen, ganz gleich, wie viele Kampfeinheiten dazu nötig sind, könnten wir weitere Omnius-Kopien in den Weltraum schicken. Die Allgeister könnten sich frei verbreiten, worauf die Denkmaschinen Synchronisierte Welten zurückerobern oder gar Stützpunkte auf neuen Planeten errichten könnten. Wie eine Saat, die auf fruchtbarem Boden ausgebracht wird. Aber nur, wenn der Riegel durchbrochen wird – wenn du ein ausreichend großes Loch in die Barriere gerissen hast.«

Er lächelte. »Andererseits bist du hier in deiner verschanzten Stellung völlig hilflos, wenn den Hrethgir der Durchbruch mit nur ein paar Schiffen gelingt, die Atomsprengköpfe abwerfen. Daher ist es von höchster Priorität, dass die Omnius-Allgeister sich ausbreiten, vermehren und überleben.«

»Ich werde interagieren und die Angelegenheit mit Omnius Primus diskutieren. Vielleicht ist es ein erfolgversprechender Plan.«

Thurr schüttelte den Kopf, stemmte die Hände in die Hüften und rückte seinen Gürtel mit dem juwelenbesetzten Dolch zurecht. »Dann würdest du deine Unabhängigkeit aufgeben, die einen vorteilhaften Faktor in der gegenwärtigen Krise darstellt. Wäre es nicht besser, wenn du Omnius Primus unmissverständlich demonstrierst, dass du innovative Ideen hast, die er noch nicht in Betracht gezogen hat? Sobald sich dein Angriff als Erfolg erweist, kann Omnius Primus deine Stellung als separate Einheit nicht mehr infrage stellen.«

Die Kopie von Wallach IX dachte nach, dann gelangte sie zu einer Entscheidung. »Ich habe die Muster der feindlichen Streitkräfte analysiert und den günstigsten Zeitpunkt für eine überraschende massive Gegenoffensive berechnet, wie wir sie bisher noch nicht durchgeführt haben. Der ideale Zeitpunkt tritt in neun Stunden ein.«

»Ausgezeichnet«, sagte Thurr und nickte eifrig. Er wäre am liebsten in sein Quartier gerannt, doch er wagte es nicht, sich seine Ungeduld anmerken zu lassen, auch wenn er bezweifelte, dass der Allgeist solche Nuancen menschlicher Emotionen interpretieren konnte. Neun Stunden. Er beschränkte sich darauf, mit zügigen Schritten zu laufen. Für ihn gab es noch sehr viel vorzubereiten.

 

Als der Überraschungsangriff begann, reagierten die Roboter auf der Oberfläche von Corrin mit der gleichen desorganisierten Panik wie die Wachhundschiffe der Menschen im Orbit. Der Zentralturm bewegte sich krampfhaft und verlor seine Integrität, während die Aufmerksamkeit von Omnius Primus abgelenkt war. Das Gebäude aus Flussmetall sackte langsam in sich zusammen.

Plötzlich fuhr ein komplettes Kontingent maschineller Verteidiger die Waffensysteme hoch, änderte die Konfiguration und stieß in einem dramatischen Frontalangriff gegen die menschlichen Wachschiffe vor. So weit unterschied sich die Aktion kaum von den Ausbruchsversuchen, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten immer wieder unternommen worden waren. Die Einheiten hielten knapp unter der tödlichen Begrenzung des Störfeldsatellitennetzes an und entließen einen Schwarm von Raketen mit Sprengköpfen, die auf die stationären Menschenschiffe zurasten, dann stießen sie weiter in die Störfeldzone vor. Die Holtzman-Satelliten gaben tödliche Pulse ab, und Störfeldminen visierten die Maschinenschiffe an, um alle Steuersysteme der Denkmaschinen lahm zu legen. Doch während sich die toten Roboterschiffe im Weltraum ansammelten, drängten immer mehr waffenstarrende Omnius-Schiffe nach. Mehrere konnten durch Lücken im Störfeldnetz schlüpfen.

Thurr beabsichtigte mit der Aktion nicht mehr als eine sinnlose und zerstörerische Ablenkung, aber einen Moment lang sah es so aus, als könnte der Plan tatsächlich funktionieren ...

Nachdem die orbitale Überraschungsoffensive gestartet und die Hrethgir-Flotte ganz mit Verteidigungsmaßnahmen beschäftigt war, eilte er zum Landefeld. Er wählte das gut gewartete, aber nicht mehr benutzte Update-Schiff aus, mit dem Seurat während der Großen Säuberung nach Corrin geflohen war. Es war ein schnelles Schiff mit ordentlicher Panzerung, rudimentärer Bewaffnung und minimalen Lebenserhaltungssystemen, die er selbst vor Jahren installiert hatte – ein weiteres Beispiel seiner vorausschauenden Planung. Das Schiff war genau das, was Thurr nur brauchte.

Das Update-Schiff war abflugbereit und wurde nicht von bodengestützten Robotern bewacht. Thurr hatte inzwischen die Kontrollen studiert und wusste, dass er das Gefährt lenken konnte. Er hatte nur wenige Vorräte mitgenommen, weil er befürchtete, er könnte sein Vorhaben verraten, wenn er das Schiff voll ausrüstete. Thurr benötigte nur genug Nahrung und Luft, um den nächsten Außenposten erreichen zu können.

Während der wilde Kampf im Orbit weiterging und sich Liga-Schiffe und Robotereinheiten erbittert bekämpften, aktivierte Thurr die Einstiegsrampe und eilte an Bord des Update-Schiffes.

Drinnen wartete Erasmus an der Seite seines menschlichen Schützlings auf ihn. »Siehst du, Gilbertus, ich hatte Recht mit meiner Interpretation des seltsamen Verhaltens von Yorek Thurr. Er beabsichtigt, uns zu verlassen.«

Thurr hielt abrupt inne und keuchte. »Was macht ihr hier?«

Gilbertus Albans nickte. »Ja, Vater. Du verstehst die menschliche Natur sehr gut. Die Anzeichen waren subtil, aber nachdem du mich darauf hingewiesen hast, erschienen sie auch mir offensichtlich. Thurr hat für Verwirrung im Orbit gesorgt, damit er dieses Raumschiff stehlen und entkommen kann.«

»Ich bewundere derart verzweifelte Aktionen.« Erasmus' Flussmetall-Gesicht bildete ein Lächeln aus. »Aber in diesem Fall möchte ich die Weisheit dieses Plans infrage stellen.«

»Ich habe die Entscheidung getroffen«, sagte Thurr schnaufend. »Corrin ist zum Untergang verdammt, sobald die Liga der Edlen sich dazu durchringt, reinen Tisch zu machen. Auch die Denkmaschinen sollten überlegen, wie sie von hier entkommen können. Dich, Erasmus, erwarten wiederholte Drohungen von Omnius, wenn er versucht, deine Persönlichkeit zu überschreiben. Er scheint niemals dazuzulernen.« Lächelnd trat Thurr näher an den Roboter heran. »Ihr beiden könntet mich begleiten. Wir lassen Corrin weit hinter uns zurück und drücken der Galaxis unseren Stempel auf. Die Geschichte wird uns niemals vergessen.«

»Denkmaschinen bewahren akkurate Dateien über alle Ereignisse auf«, sagte Erasmus. »Die Geschichte wird meine Handlungen ohnehin nicht vergessen.«

Thurr näherte sich einen weiteren Schritt. »Aber erkennst du nicht die wunderbare Logik meines Plans? In diesem Augenblick könnte dieses Schiff mühelos die Hrethgir-Flotte durchbrechen, solange die Ablenkung anhält. Wir würden entkommen. Auch von anderen Update-Schiffen ließe sich die Gelegenheit nutzen, mit neuen Omnius-Sphären zu entfliehen. Das Synchronisierte Imperium könnte wieder expandieren.«

»Das wäre eine Möglichkeit. Aber ich habe die Erfolgsaussichten berechnet, und sie sind extrem niedrig. Selbst wenn ich meinen mentalen Kern isolieren und gründlich abschirmen würde, wäre nicht gewährleistet, dass ich die Passage durch das Störfeldnetz überlebe. Dieses Risiko werde ich nicht eingehen, und erst recht nicht, wenn es bedeutet, dass ich Gilbertus allein lassen müsste.«

Thurr bewegte sich wie eine angreifende Schlange. Er hatte die Aufmerksamkeit des Roboters auf seine vorsichtige Annäherung gelenkt, aber in Wirklichkeit hatte er es auf den schutzlosen Menschen abgesehen. In einer unglaublich schnellen Aktion zog er den Zierdolch aus dem Gürtel und sprang nach links, wo er einen sehnigen Arm um den Hals des völlig überraschten Gilbertus schlang. Thurr drückte ein Knie gegen den Rücken des kräftigen jungen Mannes und hielt die Spitze des Dolches an die Halsschlagader seines Opfers.

»Dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als deine Entscheidung auf etwas ... menschlichere Weise zu beeinflussen. Wenn du mich nicht abfliegen lässt, bevor es zu spät ist, werde ich ihn töten. Zweifle nicht, dass ich es tun werde.«

Thurr drückte etwas fester mit dem Messer zu. Gilbertus war erstarrt, aber er spannte die Muskeln an und machte sich bereit, seine jahrelange Ausbildung einzusetzen. Erasmus erkannte, dass er sich wehren wollte, dass er sich in allergrößte Gefahr bringen wollte ...

»Nein, Gilbertus!«, sagte er mit verstärkter Stimme. »Ich verbiete dir, ein solches Risiko einzugehen. Er wird dir Schaden antun.«

»In der Tat«, sagte Thurr und lächelte auf sehr seltsame Weise. Gilbertus zögerte für einen kurzen Moment, dann entspannte er sich und fügte sich den Wünschen des Roboters.

»Wir hegen nicht die Absicht, dich zu begleiten«, sagte Erasmus. Das Flussmetall-Gesicht des Roboters wurde zu einer glatten Maske. Kurz zeigte es ein besorgtes Stirnrunzeln, als würde ihm vorübergehend die Kontrolle entgleiten, dann nahm es wieder einen leeren Ausdruck an. »Wenn du ihn tötest, werde ich nicht zulassen, dass du entkommst. Ich mag nicht zu rachsüchtiger Wut imstande sein, aber ich habe sehr viel Zeit und Mühe in Gilbertus Albans investiert. Wenn du ihm Schaden zufügst, solltest du nicht daran zweifeln, dass ich dich töten werde.«

Es war eine Pattsituation. Thurr rührte sich nicht. Das Gesicht des Roboters durchlief eine einstudierte mimische Litanei.

Gilbertus suchte nach einer Bestätigung in Erasmus' glattem Gesicht, offenbar in der Hoffnung, dass der autonome Roboter ihn retten würde. »Dieser Mann macht einen äußerst verwirrenden Eindruck auf mich, Vater. Ich gebe mir allergrößte Mühe, organisiert zu denken, aber dieser Mann kommt mir vor wie ...«

Erasmus kam ihm zu Hilfe. »Wie das personifizierte Chaos?«

»Eine adäquate Einschätzung«, sagte Gilbertus.

Schließlich wandte sich der Roboter an Thurr. »Wenn du Gilbertus freilässt und versprichst, ihm nichts zu tun, werden wir dir erlauben, allein mit diesem Schiff abzufliegen. Vielleicht wird deine Flucht erfolgreich verlaufen, vielleicht kommst du dabei ums Leben. Aber das wird nicht mehr unsere Sorge sein.«

Thurr rührte sich nicht. »Wie soll ich wissen, dass ihr mich nicht anlügt? Ihr könntet den Befehl geben, dass alle Robotereinheiten auf mich feuern und mich vernichten, bevor ich auch nur den Orbit erreicht habe.«

»Nach ausführlichen Studien und langer Übung ist es mir tatsächlich möglich, zu lügen«, räumte Erasmus ein. »Aber ich will mich nicht dieser Mühe unterziehen. Mein Vorschlag ist ehrlich gemeint. Auch wenn ich nicht mit deinen Motiven und Plänen einverstanden bin, gibt es für mich keinen Grund, dir Schaden zuzufügen, um dich aufzuhalten. Für mich spielt es letztlich keine Rolle, ob du von Corrin entkommen kannst oder nicht. Nur die Umstände haben dich dazu gezwungen, auf diesem Planeten auszuharren. Es geschah nicht auf Anweisung von Omnius.«

Thurr dachte hektisch darüber nach. Ihm blieb nur noch wenig Zeit. Er wusste nicht, wie lange der Roboterangriff anhielt, wann Omnius Primus wieder die Kontrolle zurückgewann.

»Was meinst du?«, fauchte er grob ins Ohr seines Opfers. »Vielleicht sollte ich dich lieber als Geisel mitnehmen.«

Gilbertus antwortete mit ruhiger Stimme. »Du kannst Erasmus vertrauen, wenn er sein Wort gegeben hat.«

»Erasmus vertrauen? Ich bezweifle, dass es in der Geschichte der Synchronisierten Welten viele Menschen gab, die so etwas gesagt haben. Aber gut.« Er lockerte seinen Griff, aber nur ein wenig. »Erasmus, du verlässt das Schiff. Sobald du dich weit genug von der Einstiegsrampe entfernt hast, lasse ich Gilbertus frei. Dann werde ich starten, und wir werden uns voraussichtlich niemals wiedersehen.«

»Wie kann ich mir sicher sein, dass du ihn nicht in jedem Fall töten willst?«, fragte Erasmus.

Thurr lachte leise. »Für einen Roboter lernst du ziemlich schnell. Aber jetzt solltest du möglichst schnell von hier verschwinden – sonst wird unsere Vereinbarung hinfällig.«

Der Roboter trat zurück, und sein prächtiges Gewand bauschte sich, als er sich noch einmal zu Gilbertus umblickte, bevor er die Rampe hinunterstapfte. Thurr überlegte, ob er seine Geisel tatsächlich töten sollte, um dem unabhängigen Roboter zu demonstrieren, wie unberechenbar Menschen sein konnten. Er zuckte unter diesem irrationalen Drang zusammen, aber er konnte sich beherrschen. Damit würde er nichts erreichen, und dann hätte er sich Erasmus zum Feind gemacht. Es konnte trotz allem geschehen, dass die Bodenstreitkräfte der Roboter ihn vom Himmel schossen. Es lohnte sich nicht, ein solches Risiko einzugehen.

Er versetzte seinem Gefangenen einen heftigen Stoß, worauf dieser davontaumelte. Als Gilbertus die Rampe hinabhastete, um sich zum autonomen Roboter auf dem Landefeld zu gesellen, versiegelte Thurr die Schleuse und eilte zu den Kontrollen.

 

Gilbertus und Erasmus beobachteten, wie das Schiff am Himmel immer kleiner wurde. »Du hättest seine Flucht verhindern können, Vater, aber du hast stattdessen entscheiden, mich zu retten. Warum?«

»Trotz seiner vergangenen Leistungen hat Yorek Thurr in der Zukunft keinen Wert mehr für uns. Außerdem ist er beunruhigend unberechenbar, selbst für einen Menschen.« Erasmus schwieg einen Moment lang. »Ich habe die Konsequenzen analysiert und entschieden, dass dieser Ausgang der Ereignisse am vorteilhaftesten ist. Es wäre inakzeptabel gewesen, die Gefahr einzugehen, dass dir Schaden zugefügt wird.« Plötzlich entdeckte der Roboter einen roten Fleck, der von einem oberflächlichen Schnitt an Gilbertus' Hals herrührte. »Du bist verletzt. Er hat dir eine Wunde zugefügt.«

Gilbertus berührte die Stelle und betrachtete den winzigen Blutstropfen an seiner Fingerspitze. »Sie ist unbedeutend.«

»Keine Verletzung, die dir zugefügt wurde, kann unbedeutend sein, Gilbertus. Ich werde dich von nun an besser bewachen müssen. Ich muss auf deine Sicherheit Acht geben.«

»Dasselbe werde ich für dich tun, Vater.«

Dune Legenden 03 - Die Schlacht von Corrin
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